Buchtipp |“Das Leben ist keine To-Do-Liste“ von Shirley Seul

Shirley Seul Das Leben ist keine To-Do-ListeMoin,

damals – bevor wir auf die digitalisierte Patientenverwaltung umstiegen –  hatten wir in der Praxis ein dickes Buch, in dem die Termine vergeben wurden.  Ganz old school mit Papier und Bleistift. 

Am meisten Spaß machte es mir, im Anschluss die Patienten, die die Praxis wieder verlassen hatten, wegzustreichen. Wieder einer weniger. Einer dichter am Feierabend. Irgendwann ging es so weit, dass mich meine Kolleginnen für diesen Job extra aus dem Behandlungszimmer riefen. „Komm‘ Kathrin, du darfst wieder streichen. Das machst du doch so gerne.“ 

Ich habe es schon immer geliebt Listen zu führen. Dinge, die erledigt werden mussten fein säuberlich untereinander zu schreiben und nach Vollendung durchzustreichen. Ein sehr befriedigendes Gefühl. Noch heute führe ich meinen Kalender inklusive aller dazugehöriger Listen analog auf Papier. Ich habe es mit dem Organzier auf dem Handy versucht. Mehrmals. Es ist einfach nicht das selbe.

Aber nochmal zurück in die Praxis. Natürlich wurden Termine nicht nur einmal vergeben. Nein, manchmal doppelt oder sogar dreifach. So eine Zeile in einem Buch ist dehnbar. Ein Wartezimmer leider nicht. Und für jeden durchgestrichenen Patienten rückte ein neuer nach. Das ist das Problem mit den Häkchen auf der To-Do-Liste: Selten verschaffen sie uns mehr Freizeit. Meist schaffen sie nur mehr Zeit für noch mehr „Dinge, die unbedingt erledigt werden müssen.“ 

Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes verplant. Nach der Arbeit geht es für die wenigsten auf die Couch zu den Liebsten und einem guten Buch. Meist „muss“ man dann noch zum Sport, den man am besten gleich mit einer Freundin zusammen absolviert. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Beziehungsweise zwei oder drei Häkchen auf dem Papier. Was für die Figur getan, beschäftigt gewesen UND soziale Fleißbienchen gesammelt. Weil man das so macht. Wieder andere widmen sich nach Feierband 1.0 ihrem Job 2.0 und werkeln an Blogs, Yogastunden oder Manuskripten herum. Um dann nach Feierabend 2.0 noch schnell einzukaufen, den Hund auszuführen und die Eltern anzurufen, bei denen man sich im 3-Wochenrhythmus ja mal melden muss, Wieder ein paar Häkchen mehr. 
Shirley Seul To-Do-ListeDoch haben wir unseren Alltag so wirklich mit Leben gefüllt? Fülle gespürt? Oder sind einfach nur hindurchgerast? Um alle paar Monate komplett die Reißleine zu ziehen, eine vermeintliche Pause zu machen. Um wieder Kraft für Neues zu tanken. Kraft, die am Ende für neue Arbeit und neue Häkchen drauf geht.

Shirley Seul stellt da genau die richtigen Fragen. In „Das Leben ist keine To-Do-Liste. Endlich Zeit für das, was wirklich wichtig ist – Mit der To-Be-Liste“ führt sie uns vor. So richtig. Ich fühle mich erkannt und ertappt. Ohne Moralkeule, Lifecoach-Blabla und verschwurbelt-salbungsvollen Erkenntnissen. Seul schreibt genau nach meinem Geschmack: Kurz, knackig und immer ein wenig piesackend. Sie weiß, wo sie mich kriegt.

„Schalten Sie Ihr Handy jetzt aus.“ Is‘ klar… Nee. Ich stelle mir einfach vor, es wäre aus. Liegt ja neben mir auf dem Bett. Ich werde einfach nicht drauf sehen, während ich lese. „Sollten Sie das lächerlich finden und denken „Ich tu nur so, als hätte ich es ausgeschaltet“, dann fragen Sie sich, wie ernst Sie Ihr Bedürfnis nach mehr Zeit nehmen.“ Öhm ja. Schon wieder erwischt. Ich schiele verlegen zum Handy. Und drehe es zumindest um….

Zum Glück hat sie gleich ein paar Anregungen zum anders und besser machen parat. Und diese kommen – Gottseidank! – nicht als festgeschriebener, starrer Plan daher. Auch nicht als neues, heißes Zeitmanagement-Tool.

Shirley Seul wirft vielmehr den Denkapparat des Lesers an, hinterfragt und führt so zur sicheren Erkenntnis: Löcher sind nicht immer schwarz, Stolperfallen oder das Fehlen von Substanz. Manchmal sind sie auch einfach eine Tür zu etwas Neuem. Der Anfang. Und bereit gefüllt zu werden. Mit Leben. 

P.S.: Dieser Artikel stand im Übrigens schon eine Weile auf meiner To-Do-Liste. Jetzt kann ich einen Haken dahinter machen. Mist, erwischt….

Das vorgestellte Buch wurde von mir selbst erworben. Dies hat jedoch keinerlei Einfluss auf meine ehrliche Empfehlung. Wie immer gilt: Was mich nicht überzeugt, landet nicht auf dem Blog. Kooperationen werden immer als solche gekennzeichnet. 

You Might Also Like

7 Comments

  • Reply
    Val
    9. Februar 2016 at 10:10

    Oo – zur Abwechslung kann ich dir mal nicht zustimmen – die Geschmäcker sind halt verschieden. Mich hat das Buch nullkommanull angesprochen ;-). Was vielleicht daran liegt, dass ich ToDo-Listen ohnehin nie ganz ernst nehme… Ich fands ehrlich gesagt etwas fad zu lesen… aber jeder Jeck is anners

  • Reply
    Kati
    9. Februar 2016 at 12:35

    Doch, natürlich ist das Leben genau das: eine Aneinanderreihung von Verpflichtungen, und ob man die mit oder ohne Liste abhakt, ist Geschmackssache. Oft sind es ja freiwillige Verpflichtungen, zB Fitness oder Freunde treffen, die Frage ist nur, ob man es schafft, das irgendwie alles spontan und „im Flow“ zu managen oder halt eine Krücke – in dem Fall To Do Liste oder auch Kalender – braucht. Von demher spricht mich der Titel leider auch nicht so an, auch wenn das Thema sicher spannend ist.
    Ich versuchs lieber hiermit und warte gerade ganz gespannt darauf, dass er ankommt: http://einguterplan.de/ – das ist aber quasi das Gegenteil zur Anti To Do Liste 😀
    Liebe Grüße,
    Kati

    • Reply
      Kathrin
      9. Februar 2016 at 17:21

      Och, auf den warte ich auch gerade. Und ich gehe da nicht ganz konform. Natürlich gibt es Verpflichtungen. Die auch erfüllt werden müssen. Die Frage ist, wie man da ran geht. Und genau darum geht es ja auch bei „Ein guter Plan“: Das Leben sinnvoll und befriedigend füllen. Es geht hier nicht um Arbeitsverweigerung ?

    • Reply
      Kathrin
      9. Februar 2016 at 17:22

      Wie immer ist hier wohl das Motto, die gesunde Mitte zu finden. Ich sehe in beiden Büchern eine Hilfe zur Selbsthilfe. Gegen Burn-Out, Frustration und Stress ?

  • Reply
    Beauty Butterflies
    9. Februar 2016 at 14:58

    Oh man… ich habe immer mehr das Gefühl wir sind Zwillinge, die bei der Geburt getrennt wurden (#Snapchat-Talk^^) Ich bin To Do Listen Freak und manchmal hinterfrage ich das wie du gerade…. Ich sollte darüber schreiben… Kommt direkt auf doe To Blog Liste! Call me Monk, aber ein Leben ohne Listen – DAS wäre mal eine Herausforderung für mich!

    • Reply
      Kathrin
      9. Februar 2016 at 16:31

      Haha, oh Schwester, ich verstehe dich 😉

  • Reply
    Hana Mond
    1. März 2016 at 09:31

    Ich glaube, das ist eine Typfrage.
    Es gibt Menschen, die dazu neigen, sich zu überfordern, alles zu voll zu stopfen, und sich daran erinnern müssen, auch mal nichts zu tun …
    Und es gibt Menschen, die auf der fauleren Seite angesiedelt sind, und dazu neigen, nichts auf die Reihe zu bekommen, wenn sie sich nicht dazu zwingen. Die Sport lieben, die To-Do-Liste aber brauchen, um den Hintern hochzubekommen und nicht ewig auf der Couch zu versacken und sich hinterher drüber zu ärgern.
    Das Buch ist wohl nur für ersteren Typ interessant … 😉

  • Leave a Reply

    Dieses Formular speichert Name, E-Mail und Inhalt, damit wir den Überblick über auf dieser Webseite veröffentlichte Kommentare behalten. Für detaillierte Informationen, wo, wie und warum wir deine Daten speichern, wirf bitte einen Blick in die Datenschutzerklärung.